Digitales nach der Wahl: Sondierungen

Politik, Netzpolitik, Digitales

Bianca Kastl

Die Beteiligten an einer möglichen Ampelkoalition (alternativ auch Pumuckl-Koalition, je nach Scherzbedarf) haben ein Sondierungspapier veröffentlicht. Zu finden bei den Grünen.

Als aufmerksame Wahlprogramm-Leserin aller drei beteiligten Parteien schauen wir mal an, was das digitalpolitisch heißen kann.

Moderner Staat und digitaler Aufbruch

Wir wollen einen grundlegenden Wandel hin zu einem ermöglichenden, lernenden und digitalen Staat, der vorausschauend für die Bürgerinnen und Bürger arbeitet.

Ist jetzt als Forderung erst mal nett klingend, setzt aber einen kompletten Kulturwandel voraus. Aktuell ist das kein Push-Prinzip, sondern immer ein Pull von Bürger*innen dem Staat gegenüber. Skeptisch, weil ich Verwaltung kenne und das echt ein dickes Brett ist.

Wir wollen eine neue Kultur der Zusammenarbeit etablieren, die auch aus der Kraft der Zivilgesellschaft heraus gespeist wird.

Ja danke, ich baue zivilgesellschaftlich schon länger an Themen rum, die der Staat auch hätte selbst hinbekommen können. Vorschlag: schon mal mit dem «Hackerparagraphen» und dessen Abschaffung anfangen. Weniger digitale Leuchtturmprojekte ohne Rücksprache mit digitaler Expertise aus der Zivilgesellschaft und die Zivilgesellschaft auch positiv beteiligen. Hinterher die Scherben wegkehren, weil wieder irgendein digitaler Schnellschuss losging, ist definitiv nicht Aufgabe der Zivilgesellschaft.

Alles eher leere Phrasen bisher.

Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden. Wir werden sie konsequent von der Bürgerin und dem Bürger her denken. Digitale Anwendungen werden jeweils mitgedacht und realisiert.

Das sagt auch nicht viel. Ehrlich gesagt stelle ich mir in meinem Kopf gerade eine Verordnung «Agil arbeiten in der Verwaltung» vor, die dann haarfein Regel für Regel durchexerziert wird. Das kann bei einem agilen Vorgehen so natürlich nicht funktionieren. Primär müsste es für Verwaltungen erst mal Rückendeckung und Freiräume geben, solche agilen Strukturen zu etablieren. Digitale Verwaltungsprojekte sind selten iterativ und sie werden meist nicht flexibel genug strukturiert, als dass sich hier irgendeine Art von Agilität entwickeln könnte. Wirkt auf mich eher wie ein Oxymoron.
Bei den mitgedachten digitalen Anwendungen stellt sich für mich primär die Frage, ob hier ein FDP-Einschlag von wegen «Markt» und Zugang zu digitalen Anwendungen der Verwaltung mitschwingt oder wie genau hier die Zielsetzung sein soll. Nur mit den Kompetenzen der Verwaltung allein wird das aber ein zu großer Schritt sein – Verwaltung haben einfach definitiv keine ausreichende Digitalkompetenz.

Dazu wollen wir Gesetze einem Digitalisierungscheck unterziehen.

Ich sag's mal so: ich bin mir nicht sicher, ob das so rum funkioniert. Die Frage stellt sich eher, ob für ein bestimmtes Ziel, sei es im Bereich Bürger*innen-Service etc. eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist, die bestimmte Anwendungen ermöglicht. Oder welche Anpassungen notwendig wären, um in bestimmten Bereichen sinnvolle digitale Anwendungen ermöglichen zu können. Das geschieht aber meistens nicht a priori einfach als Check von bestimmten Gesetzen, sondern meist immer erst in bestimmten Prozessen. Wird als Prozess länger dauern, als es mit einfachen Checks öffentlichkeitswirksam möglich wäre.

Die digitalpolitische Strategie der Bundesregierung wird neu aufgesetzt (u.a. KI-Strategie, Datenstrategie, Blockchain-Strategie).

Okay, am besten ganz neu machen wäre ein Anfang. Angesichts der indifferenten Haltung der Grünen zu Blockchain, dem Pro der FDP zu Kryptowährungen und der Ablehnung von Kryptowährungen durch die SPD kommt hier wahrscheinlich in eher enttäuschender Kompromiss heraus. Ebenso beim Thema KI, da will die FDP Experimente, die SPD Verantwortung, die Grünen Transparenz. Am Ende wird es in dem Bereich halt einen Kompromiss geben, der das irgendwie dann doch erlaubt, nur halt verantwortlich – wie auch immer das definiert wird.

Den Gigabit-Ausbau treiben wir engagiert voran.

Vermutung: hier setzt sich das Konzept der Gigabit-Gutscheine durch, weil die Konzepte der Grünen und der SPD sich nicht klar genug davon absetzen. Die SPD will Verpflichtungen mit Zwischenzielen, die Grünen sehen es als Daseinsvorsorge. Am Ende wird sich aber der Markt am ehesten über das Konzept der FDP freuen – ob das dann besser wird, wird sich zeigen.

Soziale Sicherheit bürgerfreundlich gestalten

In der Gesundheitspolitik wollen wir Vorsorge und Prävention zum Leitprinzip machen. Wir wollen unser Gesundheitswesen stark machen, damit es für kommende Krisen, etwa eine neue Pandemie, gut vorbereitet ist. Dafür werden wir aus den Erkenntnisse der Pandemie lernen und den Öffentlichen Gesundheitsdienst digitalisieren und stärken.

Na immerhin. Dadurch, dass die Union aller Voraussicht nicht mehr in der Regierung ist, ließe sich hier auch viel verändern. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass es in dem Bereich der Gesundheitsämter und anderer Strukturen einiges zu tun gibt. Ich weiß, wovon ich spreche… aber dazu ein andern Mal.

Versuch eines Fazits

Die FDP hat relativ viel für sich in dem Bereich Digitalisierung rausgeholt, sowohl von der Zielsetzung als auch von manchen Punkten, die konträr zu den Positionen der anderen Parteien stehen. Daneben gibt es ein paar unstrittige Punkte, die auf jeden Fall bestimmt Eingang in einen möglichen Koalitionsvertrag finden werden – weil es gar nicht mehr ohne Veränderung in diesen Bereichen geht.

Alles in allem noch zu unkonkret, aber zumindest digitalpolitisch ohne große Überraschungen und Enttäuschungen.