Die Pandemie
digitalen Scheiterns
und neuer Hoffnung

Wer spricht da eigentlich?

Level of Expertise

  • Software-Projektmanagerin / Webentwicklerin
  • Betreuung digitale Kontaktnachverfolgung während dieser Pandemie
  • Arbeitet an der Digitalisierung in einem Gesundheitsamt
  • Vorstand Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit (InÖG)
  • Verfahrensverantwortliche IRIS connect

1. Digitales Scheitern

Warum digitale Systeme in der Verwaltung / im ÖGD oft schlecht sind

  • Politik stellt zu wenig Mittel für Digitales bereit
  • Verwaltung kann keine langfristigen internen Kompetenzen aufbauen
  • Verwaltung bekommt nur halbgare Projekt-Lösungen
  • halbgare Projekt-Lösungen erzeugen Probleme und müssen ersetzt werden
  • und wieder von vorne
Visualisierung einer Meldekette: Labordaten werden über elektronische System DEMIS an Gesundheitsämter übermittelt, wo diese sortiert und ergänzt werden müssen. Das Gesundheitsamt übermittelt die Fälle dann über einen manuellen Prozess elektronisch an die Landesstelle, die dann über einen manuellen Prozess Daten elektronisch an das RKI übermittelt

Meldekette Visualisierung

Umständliche Prozesse und Probleme schlechter Software potenzieren sich und brechen unter Last zusammen

Übersicht von verschiedenen Anwendungen zum Infektionsschutz, dabei gibt es die Auswahl zwischen SORMAS, SurvNet, anderen Anwendungen oder Excel. Allerdings ist in der Gesamtbetrachtung immer SurvNet zur Meldung der Fälle beteiligt

IfSG-Anwendung Visualisierung

SORMAS stellt aktuell keine wesentliche Entlastung im Gesamtprozess dar

Datenfluss der Luca App 1. Erfolgt eine Infektions-Meldung an das Gesundheitsamt, wird die betroffene Person kontaktiert. 2. Alternativ sucht das Gesundheitsamt Standorte mit gemeldeten Infektionen direkt. 3. Betroffene luca-Standorte werden vom Gesundheitsamt kontaktiert und aufgefordert, die zeitlich relevanten Check-ins über das luca-System freizugeben. 4. Die Check-ins werden vom Gesundheitsamt entschlüsselt. Eine schnelle und lückenlose Nachverfolgung der Kontaktpersonen kann eingeleitet werden. 5.Das Gesundheitsamt führt Risikobewertungen durch und kann Kontaktpersonen über ihr Infektionsrisiko informieren – mit Warnmeldungen über die luca App oder persönlich.

Datenfluss der Luca App aus dem Jahr 2021

Politik bevorzugt oftmals digitale Lösungen, die Prozesstreue bieten
und Scheinsicherheit und Scheininnovation ausdrücken

Mängel in der Umsetzung - keine guten Digitalprodukte

Immer mehr Unzulänglichkeiten traten zutage: selbstgesetzte Fristen zur Behebung von Mängeln verstrichen, die Verarbeitungszwecke von SORMAS wurden erweitert, manche Datenverarbeitungen waren nicht von Rechtsgrundlagen gedeckt und die Software sollte auf einmal auch zur langfristigen Aufbewahrung personenbezogener Daten dienen.

Prof. Dr. Ulrike Liedtke, Tätigkeitsbericht Datenschutz 2021

Datenschutz ist als Begriff irreführend. Eigentlich bedeutet es Grundrechteschutz im Kontext persönlicher Daten.

Netzpolitik.org: Digitale Kontaktverfolgung: Mehr als 20 Millionen Euro für Luca - Zahlreiche Bundesländer wollen mit der App eine Rückkehr zum normalen Alltag ermöglichen und haben Verträge mit den Betreibern abgeschlossen. Doch es mehrt sich die Kritik an fehlenden Vergabeverfahren und hohen Kosten. - April 2021

Mehr als 20 Millionen Euro für Luca

Netzpolitik.org: Schlüsselanhänger mit Folgen - IT-Fachleute haben eine gravierende Sicherheitslücke bei Luca entdeckt. Mit dem System wollen viele Bundesländer ihre digitale Kontaktverfolgung regeln, doch Unbefugte konnten Bewegungsprofile der Nutzer:innen der Luca-Schlüsselanhänger erstellen. Der Chaos Computer Club fordert jetzt einen Einsatz-Stopp. - April 2021

Schlüsselanhänger mit Folgen

Luca-App: Hacker können Gesundheitsämter über Luca angreifen - Die Luca-App liefert Daten ans Gesundheitsamt. Sicherheitsexperten zeigen nun: Darin lässt sich Quellcode verstecken, der potenziell ganze Behörden lahmlegen könnte. - Von Eva Wolfangel - Mai 2021

Schon wieder desaströse Sicherheitslücke in Luca App

Capital: Fintech-Pläne 30 Mio. Euro für Umbau der Luca-App - April 2022

30 Mio. Euro für Umbau der Luca-App

Luca App: Vielen Dank für Ihre Daten! - April 2022

Luca: Vielen Dank für Ihre Daten!

Schlechte digitale Lösungen führen nicht zu Digitalisierung,
sie führen zu Degitalisierung

2. Neue Hoffnung

Gute digitale Lösungen brauchen die kritische Begleitung der digitalen Zivilgesellschaft

Logo der Corona-Warn-App

Logo der Corona-Warn-App

Corona-Tracing-App: Offener Brief an Bundeskanzleramt und Gesundheitsminister - Screenshot CCC Webseite

Offener Brief des CCC, D64, FIFF, GI, LOAD, Stiftung Datenschutz

Funktionsweise der Corona-Warn-App: eine infizierte Person teilt anonym ihr Testergebnis und Risikokontakte werden über den Abgleich anonymer Codes gewarnt

Funktionsweise der Corona-Warn-App

Gute digitale Lösungen sind resilient und befähigen die Beteiligten, aktiv mitzuwirken

Logo des Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit

Was ist eigentlich der Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit - kurz InÖG?

  • Impuls aus der Zivilgesellschaft
  • ehrenamtlich, gemeinwohlorientiert, ohne Gewinnerzielungsabsicht
  • eine Art Cyberhilfswerk für den Öffentlichen Gesundheitsdienst
  • alles, was wir an Software machen, ist grundsätzlich Open Source
Logo von IRIS connect

IRIS connect

  • IRIS connect ist die öffentliche Schnittstelle für Gesundheitsämter
  • Erster Anwendungsfall: Anbindung unterschiedlicher Kontaktnachverfolgungs-Apps an Gesundheitsämter
  • Grundlage für eine modulare Basisarchitektur, ein Vernetzungsbaukasten
  • Rollout in vier Bundesländern (NRW, Hessen, Sachsen, Thüringen)
  • Sicherer Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Fachanwendungen (GA zu GA Kommuniktion)
Partner von IRIS connect: Der Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit und die Björn Steiger Stiftung
Dezentrale Architektur von IRIS connect

Architektur von IRIS connect

Betrieb von digitaler Open Source Infrastruktur in vier Bundesländern

  • Wesentlich: langfristiges Betriebsmodell
  • "many solutions for one network"
  • zentrale Komponenten / dezentrale Clients
  • Zusammenarbeit auf Augenhöhe
  • Open Source Software mit Telefonhotline

One more thing…

Impfterminsoftware

Einen Termin beim Bürgerbüro zu bekommen, ist eine ähnliche Herausforderung wie damals bei den Impfterminen: Alle ausgebucht. Nur wer permanent die Seite aktualisiert und viel Glück hat, kann einen erhaschen. Man muss bereit sein, das restliche Leben drumherum zu organisieren.

Eva Wolfangel, Twitter

Durchschnittliche Suchanfragen für einen Impftermin bei impfterminservice.de:
98

Github-Repos für Automatisierung zum Buchen von Impfterminen bei impfterminservice.de:
15

Mai 2021

ZDF Artikel: Tinder für Impftermine? Das steckt hinter sofort-impfen.de – In drei Schritten zum Impftermin: Eine neue Plattform will Impfwillige mit Hausärzten vernetzen. Die Idee dahinter: Ärzte entlasten und vermeiden, dass Restvakzine entsorgt werden. Mai 2021

ZDF über sofort-impfen.de

Post Mortem von sofort-impfen.de

Post Mortem von sofort-impfen.de

November 2021

[In Spanien] konnte die Organisation die Impftermine direkt auf die Smartphones der Bevölkerung schicken. […] In Deutschland wäre das gesamte Konstrukt zu teuer, würde die mächtigen Lobbyvereinigungen zu viel Macht kosten und wäre schon aus Datenschutzgründen völlig undenkbar.

Sascha Lobo, Willkommen im weinerlichen Wellness-Widerstand

Wir haben's trotzdem versucht…

Was wäre wenn…

  • …eine digitale Lösung direkt einen Termin in Deiner Nähe anbietet?
  • … du, egal wer impft, über alle Impfangebote in Ihrer Umgebung aktiv informiert wirst?
  • … es eine einheitliche, föderierbare Anlaufstelle für Impftermine gäbe?

Die Corona-Warn-App muss auch nicht wissen, wer du bist, um Dich zu warnen, warum sollte dann eine Impfterminsoftware wissen müssen, wer du bist, wenn du nur einen Termin willst?

In der virtuellen Impfwarteschlagen stehen:
Wie eine Nummer aufm Amt ziehen

«Lobby»-organisationen: Werden sogar gebraucht, um eine solche Vernetzung in die Breite zu bringen

Wie weit mir gekommen sind…

  • funktionsfähige Software für schrittweise Skalierung in Größe
  • Rollout-Konzepte
  • tragfähige Konzepte zur Anbindung von Impfstellen
  • Go von «Lobby»-organisationen

Politik / Verwaltung bevorzugt oftmals digitale Lösungen, die den vermeintlich «sicheren» Weg gehen, auch wenn dieser nicht skaliert.

Unterstützende Partner beim Thema Impfen: Sprin-D - Agentur für Sprunginnovation, CISPA, Finanzinformatik Technik Service, allerzeiten, kiprotect, infra.run, SysEleven, der BfDI, Björn Steiger Stiftung, initiert vom InÖG

Danke an alle, die gemeinsam für neue Hoffnung gesorgt haben…
Special Shoutout an benben und Jürgen 🙌