Rechtsfoo am Morgen: Geschlecht in deutschen Gesetzen

trans, Recht

Bianca Kastl

Gerade hat das Bundesinnenministerium eine sehr sehr mangelhafte Reform des Transsexuellen-Gesetzes in Deutschland auf den Weg gebracht. Warum überhaupt der ganze Aufwand, inwiefern ist denn das juristische Geschlecht einer Person überhaupt noch relevant? Dazu etwas Rechtsforensik:

Vorkommnisse des Wortes divers in der deutschen Gesetzgebung:

1 einziges Mal.
§22 PStG (Verweis auf Personenstandsgesetz)

Vorkommnisse männlicher geschlechtlicher Beschreibungen in der deutschen Gesetzgebung:

Mann 54 Mal, männlich 15 Mal, maskulin 0 Mal, Herr 220 Mal

Vorkommnisse weiblicher geschlechtlicher Beschreibungen in der deutschen Gesetzgebung:

Frau 383 Mal, weiblich 14 Mal, feminin 0 Mal

Klingt erstmal viel, aber davon abzuziehen sind:

Gebührenordnung für Tierärzte, Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung, Forstvermehrungsgut-Zulassungsverordnung, die Düngeverordnung, die Viehverkehrsverordnung, oder auch die «Bekanntmachung über die Ausprägung von deutschen Euro-Gedenkmünzen im Nennwert von 10 Euro» zur Frauenfußball-WM.

Gesetze, in den zwar geschlechtliche Worte fallen, aber dort geht es auch um männliche oder weibliche Samen zum Beispiel oder um eine Frau oder einen Herrn, die / der eine Gedenkmünze gestaltet hat. Also ohne rechtliche Relevanz.

Gesetze, in denen das juristische Geschlecht tatsächlich einen Unterschied macht

Sozialgesetzbuch

Berechnung der Rente, Sachbezug bis 1956 in DM oder Reichsmark (!)
(Berechnung der Sachrente bis 1956)

Rechtsträger-Abwicklungsgesetz

Abwicklung der Einrichtungen, die (vorwiegend) im Nationalsozialismus gegründet wurden.
Relevanz: Entstandene Pensionsansprüche
(Rechtsträger-Abwicklungsgesetz)

Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte

Bestimmung des Rentenanspruchs im Todesfall
(Verweis auf Alterssicherung der Landwirte)

Gesetz über den Lastenausgleich

Gewährung einer Kriegsschadenrente in Folge des zweiten Weltkriegs
(Verweis auf Lastenausgleichgesetz)

Flüchtlingshilfegesetz

Gewährung einer Beihilfe in Folge des zweiten Weltkriegs
(Verweis auf Flüchtlingshilfegesetz)

Renten-Überleitungsgesetz

Gesetz, um die Rentenansprüche in der ehem. DDR in die BRD zu überführen
(Verweis auf Renten-Überleitungsgesetz)

Das ist kein Anspruch auf Vollständigkeit, aber dann doch relativ wenig.
Der Unterschied von juristisch Mann und Frau betrifft also vor allem Rentenberechnung / Pensionsberechnung, vor allem Fälle von Hinterbliebenen oder aus Kriegszuständen, vornehmlich im 2. Weltkrieg.
Relevanz: geringer werdend bis kaum mehr vorhanden.
Das erstaunt jetzt schon irgendwie.

Geschlechterexklusive Gesetzgebungen

Es gibt natürlich auch Gesetze / Verordnungen, die exklusiv für Männer oder Frauen im juristischen Sinne gedacht sind.

Da gibt es zum Beispiel die BrKrFrühErkV (sic!) (Verweis auf BrKrFrühErkV)
Eigentlich heißt die Verordnung dazu konkret: Verordnung über die Zulässigkeit der Anwendung von Röntgenstrahlung zur Früherkennung von Brustkrebs bei Frauen (Brustkrebs-Früherkennungs-Verordnung), aber BrKrFrühErkV klingt doch gleich viel einfacher. Oder so.
Die Gesetzgebung ist sogar recht neu (2018), und nimmt Bezug auf medizinische Risiken, dass eine Änderung des Personenstands hier dann ernsthafte Konsequenzen für die Wirkung der Röntgenstrahlung haben würde, wage ich mal zu bezweifeln.

Im Großen und Ganzen sind bei exklusiven Gesetzgebungen aber thematisch eigentlich immer Kinder irgendwie beteiligt.

Was da so alles dazu gehört:

  • Abstammungsrecht (Mann jur. / Frau jur. bei Geburt)
  • Mutterschutzgesetz (schwangere Person)
  • Schwangerschaftskonfliktgesetz (schwangere Person)
  • §219 StGB (schwangere Person)
  • Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder (vorw. Mann jur.)
  • Familienverfahrensgesetz (vorw. Mann jur.)
  • Gesetz über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung (vorw. Mann jur.)

Am Ende geht es also irgendwie entweder um die Bestimmung von Vaterschaft / Mutterschaft im juristischen Sinne, Schutz von Schwangeren, Unterhaltsforderungen, etc. Etwas, was aber immer nur für bestimmte Fälle Anwendung findet. Hat eine Person keine Kinder, kommt das auch nicht zur Anwendung. Alle diese Gesetze würden auch mit neutralen Formulierungen wie gebärende Person etc. wunderbar funktionieren. Wenn eine Person nun den Personenstand ändert, drohen hier also nicht automatisch irgendwelche Konsequenzen, die befürchtet werden müssten.

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass an einer formalen Definition von Geschlecht gar nicht so viel hängt im juristischen Sinne. Vieles ist einfach alt. Vieles ist nicht mehr relevant oder ließe sich einfach neutral formulieren.

Was es für mich noch unverständlicher macht, warum so ein hoher Aufwand betrieben wird, um eine Änderung des Personenstands in Zuge der #TSGReform zu unnötig schwer zu machen.