Über den psychologischen Umgang mit Krisen
Corona. Wir sind mitten drin. Irgendwas in mir sagt mir, dass ich dazu etwas schreiben sollte, weil es vielleicht anderen Menschen helfen kann. Selbst wenn es das nicht tut, hilft es zumindest mir, meine Gedanken etwas zu ordnen.
Wir befinden uns in einer globalen Pandemie, die sich in dieser globalisierten Zeit vollkommen anders verhält, als alles, was mir bisher kannten. Unser gemeinsamer Feind ist unsichtbar, hat keine Hautfarbe, keine Nation, er gehört keiner fremden Macht an, er ist nicht gesteuert und schwer zu beeinflussen.
Rassismus und Fremdenhass sind in diesen Tagen schädlicher denn je, denn dass alles interessiert das SARS-CoV-2 Virion gar nicht. Das ist das erste, was wir uns als Menschen klar werden sollten – es geht gegen ein Virus, nicht gegen Menschen, die es tragen.
Wir können momentan nicht viel aktiv gegen Corona tun – leider aber sehr viel für Corona. Dieser Zustand wird auch noch eine ganze Zeit anhalten. Wir sollten uns nicht darauf einstellen, dass plötzlich ein Wundermittel gefunden wird. Nein, die Bekämpfung von Corona ist ein langsamer Prozess, der dauern wird. Eher Monate, wenn nicht Jahre. Wir sind alle gemeinsam als Menschheit Teil dieses Prozesses, und wir sind alle mit unserem eigenen Verhalten Teil dieses Prozesses.
Unser Verhalten gilt es daher umsichtig zu beeinflussen. Um sein eigenes Verhalten zu beeinflussen, müssen wir aber vorher vollständig akzeptieren, dass wir manche Dinge nicht verändern können, auch wenn das schmerzhaft ist. Bei vielen Menschen sehe in diesen Tagen Probleme, zu akzeptieren, dass sie die Situation nicht verändern können.
Menschen wollen nicht auf Veranstaltungen verzichten, nicht auf den geplanten Urlaub, auf ihre liebgewonnenen Freizeitaktivitäten oder ähnliches. Kurzum: Menschen wollen vielleicht nicht akzeptieren, dass sie ihr Verhalten ändern müssen, weil es momentan keine andere Möglichkeit gibt.
Verzicht auf unnötige persönliche soziale Kontakte, Einschränkung des Bewegungsradius etc. fällt schwer, es ist schmerzhaft für einige. Aber wir müssen akzeptieren, dass dieser Schmerz des Verzichts weit weniger schwere Konsequenzen haben wird als das Leid, das daraus resultieren wird, wenn wir dieses Problem einfach verdrängen.
Gedanklich habe ich wahrscheinlich schon vor ein paar Tagen vollständig akzeptiert, dass es in dieser Zeit nichts gibt, was uns schützen kann, außer unser eigenes umsichtiges Verhalten. Mir ist dieser Prozess gedanklich irgendwie einfacher gefallen, als ich angenommen habe.
Das Konzept, das mir dabei geholfen hat, habe ich aus anderen Krisen meines Lebens gelernt: Radikale Akzeptanz. Ein Leitsatz des Buddhismus ist »Akzeptiere, was du nicht verändern kannst«. Das Prinzip der radikalen Akzeptanz führt diesen Leitsatz konsequent weiter.
Die Haltung zu der Corona-Situation ist wahrscheinlich das, was einen gewaltigen Unterschied ausmachen wird, wie gut oder schlecht Menschen mit dieser Situation umgehen werden.
Ich wollte gerade «schwierige» Situation schreiben, aber das war schon wieder etwas viel negative Emotion, wieder etwas zu wenig Akzeptanz. Die Situation ist, lamentieren und darüber nachdenken, wie schwierig sie ist, hindert uns am schnellen Handeln. Es hilft nicht viel, die Situation zu betrauern; es kann zwar für manche Menschen wichtig sein, das aufzuarbeiten, aber es darf nicht unser Handeln blockieren.
Akzeptiert, dass die Situation ist, wie sie ist. Es ist gut so, dass sie so ist.
Wie kann ich sagen, dass die Situation gut so sei, wie sie ist? Das tut doch weh, oder? Ja eben, es tut weh, diese Situation auch noch als gut zu bezeichnen, es schmerzt.
Aber genau das ist der Punkt: Jetzt den kurzen Schmerz über die Situation bewusst annehmen und daraus kein unnötiges langes Leid erwachsen zu lassen.
Handelt bewusst und zügig, nehmt schmerzhafte Umstände an und akzeptiert sie radikal. Denkt nicht in «Was-wäre-wenn»-Szenarien, die ihr nicht verändern könnt. Geht vom aktuellen Zustand aus und handelt bereits heute für morgen, besser übermorgen.
Handelt für euch und vor allem für andere. Gerade wenn ihr nicht Teil einer Risikogruppe seid, wenn ihr jung und ohne Vorerkrankungen seid, ist das wichtig. Euer Handeln und die Akzeptanz in dieser Situation hilft vor allem anderen. Verhaltet euch so, als ob ihr krank wärt, auch wenn ihr es vielleicht noch nicht seid.
Handelt umsichtig, vermeidet unnötige persönliche Kontakte, helft anderen, wenn ihr könnt. Seid füreinander da.
So können wir gemeinsam diese Situation für uns alle möglichst gut durchstehen.
Das beginnt bei uns allen im Kopf: willkommen im Zeitalter der radikalen Akzeptanz.
Etwas mehr Hintergrund zum Konzept der radikalen Akzeptanz: Ich schaffe das!